Drei Fragen an ...

1. Das Projekt zu (nicht-hauptberuflichen) Vermieter*innen von Wohnraum (Förderung: DFG) läuft nun seit einigen Monaten. Was hat Sie bislang am meisten überrascht?
Erst einmal, dass es zu dieser Gruppe so wenig Forschung gibt, obwohl Wohnen doch ein zunehmend wichtiges Ungleichheitsthema ist. Der verantwortliche Mitarbeiter Philipp Kadelke betreibt also durchaus Pionierarbeit, wenn er z.B. intensive Gespräche mit Vermieter*innen zu ihren Einstellungen und Handlungsweisen führt oder wenn er untersucht, wie (ver-)mieterfreundlich der BGH bei Rechtsstreitigkeiten zum Mietwohnen urteilt. Aus den Interviews hat mich außerdem die – vorläufige – Erkenntnis überrascht, wie komplex es (gerade bei räumlicher Nähe von Vermieter*innen und Mieter*innen) ist, verinnerlichte Eigentumsrechte und eigene Ansprüche auf z.B. Verantwortung oder ein gutes Verhältnis zu Mieter*innen unter einen Hut zu bekommen und das in einer für den Interviewer stimmigen Geschichte zu präsentieren. Aber natürlich sind die Vermietungen sehr heterogen, von der Einliegerwohnung im eigenen Haus bis zur hunderte Kilometer entfernten Geldanlage, bei der man die die Mieter*innen gar nicht persönlich kennt, bei ganz unterschiedlichen Wohnlagen und Objektzuständen in Ost- und Westdeutschland.
2. Ein anderes Ihrer Projekte beschäftigt sich mit reichen Familien (Förderung: Volkswagenstiftung). Finden Sie überhaupt reiche Familien, die mit Ihnen sprechen?
Es war bei diesem Projekt in Kooperation mit dem SOFI Göttingen zwar tatsächlich etwas schwierig – schwieriger als z.B. bei den Vermieter*innen – einen Zugang zum Feld zu erhalten. Das lag aber weniger an einer den Reichen manchmal zugeschriebenen ‚Abgehobenheit‘, sondern daran, dass auch in den reichen Familien selbst nicht unbedingt viel Transparenz in finanziellen Angelegenheiten herrscht. Denken Sie etwa an ein größeres Familienunternehmen, bei dem Fragen wie die, wann die nächste Generation welche Verfügungsrechte über welche Vermögenswerte oder Rechte als Nachfolger*in in der Führungsetage erhält, sehr sensibel sind. In einigen Fällen sind wir daher von unserem ursprünglichen Plan abgewichen, mehrere Familienmitglieder gemeinsam zu interviewen. Teilweise konnten wir stattdessen z.B. mit Geschwistern, Eltern und Kindern oder Tante und Neffe Einzelgespräche führen und ihre Perspektiven vergleichen. Das geht natürlich nur, wenn man Aspekte der Vertraulichkeit und des Datenschutzes unbedingt ernst nimmt. Wir sind auch hier noch in der Auswertungsphase, aber es schälen sich interessante Ambivalenzen heraus, u.a. Vermögen nicht nur als etwas Möglichkeiten Schaffendes, sondern auch als Bürde und Konfliktherd anzusehen, die wir mit unserem Material nun genauer erfassen können.
3. Die Ungleichheitssoziologie hat eine Tendenz, sich eher mit benachteiligten Gruppen zu beschäftigten. Warum sollte man sich in der Forschung auch mit privilegierten Gruppen befassen?
Ich bin überzeugt, dass man bei sozialer Ungleichheit auch Relationen und Beziehungen betrachten sollte, ansonsten gewinnt man nur ein unvollständiges Bild. Beispielsweise stehen den Vermieter*innen Mieter*innen gegenüber, und das auf einem zunehmend angespannten Wohnungsmarkt. In wohlhabenden Familien gibt es interessante Arrangements zum einen familienintern, auf Generationen und Geschlechter bezogen, die wichtig dafür sind, wie es mit dem sozialen Status künftig weitergeht. Zum anderen nehmen die Reichen gesellschaftlichen Einfluss, z.B. durch Stiftungen oder durch ihr wirtschaftliches und politisches Handeln. Den (höheren) sozialen Status sehe ich also weniger als individuelles Merkmal, sondern als einen Anknüpfungspunkt dafür, wie Ungleichheitsverhältnisse im Zeitverlauf reproduziert oder verändert werden.